Okt 10 2017
Lyta + Krankenstation = Overacting
Was steht denn heute an? Werfen wir mal einen Blick in die Zeitung
Der morgentliche Plausch am Zeitungsstand ist wieder so eine Szene, die man in anderen Serien (*hust* Voyager *hust*) schmerzhaft vermisst. Einfach weil sie die Charaktere noch ein wenig mehr Dreidimensionalität verleiht und so ganz nebenbei das Worldbuilding vorantreibt. Und hey, wenn es heute schon gedruckte individualisierte Zeitungen gäbe, dann wäre es nur realistisch, dass die Verleger dafür sowohl ein schweinegeld verlangen und andererseits die Konsumenten mit Werbebotschaften zumüllen, während sie gleichzeitig den öffentlich-rechtlichen Rundfunk wegen angeblicher Wettbewerbsverzerrung verklagen. (merkt man eigentlich seht, wer bei uns die Shownotes schreibt? 😉 )
Aber das war ja nur das illustre Vorgeplänkel, bevor es in die eigentlich Handlung geht. Und um den Alten bei “Das Boot” zu zitieren:
“Jetzt wirds psychologisch, meine Herren!”
Und Damen natürlich. Aber die gab es damals(tm) auf einem ordentlichen deutschen U-Boot ja noch nicht. Auch wenn es auf dem Mars so aussieht, als wäre man gerade vor Gibraltar auf Grund gelaufen und hätte mit Wassereinbruch zu kämpfen

Der Beweis: Es gibt Wasser auf dem Mars! Und Löffel, die dieser namenlose Datenkristallträger in wenigen Minuten abgeben wird – unter gestammelten bedrohlichen Halbsätzen
Wir ahnen schon: Diese Szene aus dem kleinen Handbuch “Dramatik für Beginnner” wird uns noch auf die Füße fallen. Oder besser auf den Kopf. Denn Lyta ist wieder da! Wir erinnern uns: Die rotharige Telepathentante, die in Stöckelschuhen und Pornomantel im Pilotfilm größtenteils als Expositions-Krücke herumgestakst ist. Und die nicht nur Dr Kyles medizinische Plexiglasstange zu einer beliebten Redewendung in diesem Podcast gemacht hat, sondern auch Overacting in der Krankenstation salonfähig.

“Ich will sofort mein Eis! Räbääh! Sonst werfe ich mich auf den Boden und brülle ‘Schmeerz! Schmeeerz!’ wie Troi im TNG Pilotfilm!”
Aber Lyta kommt nicht nur auf die Station um uns von ihrer eingeschränkten Schauspielkunst zu unterzeugen. Nein, sie bringt auch eine wichtige Information mit: Einer im Kommandostab ist ein Schläfer und arbeitet ohne es zu wissen, eigentlich für das Psi-Corps. Alle Augen und Kameras schwenken überaus subtil zu Susan
Tim:
“Und was macht Ivanova?”
Sascha:
“Schwenkt ihren roten Hering!”
Tim:
“Und wie! Der Hering ist inzwischen doppelt so groß und sie haut ihn uns links und rechts um die Ohren!”
Meine Herren! (und Damen!) Wenn es in den 90gern schon sowas wie twitter oder hashtags gegeben hätte, JMS hätte sich das #superschwellig mehr als redlich verdient. Denn wir werden so dermaßen nicht nur mit der Nase, sondern mit dem kompletten Gesicht drauf gestoßen, dass Ivanova der Schläfer sein MUSS. Denn warum sonst, würde sie sich so vehement weigern, das telepatische Passwort gesendet zu bekommen? Soll sie sich mal ein Beispiel an Garibalidi nehmen, der nicht nur – als Einziger(!) – daran denkt, vorher seine Waffe abzugeben, sondern seine Kollegen gleich darauf auch noch so richtig schön trollt.
Tja, verarscht, er wars schonmal nicht. Oder doch? Darüber reden wir im Cast. Und jetzt wird gefühlt stun-den-lang der entscheidende Scan von Susan herausgezögert. Theo Transportröhrenreiniger und Vera Verlade werden eine(r) nach der/dem anderen in Sheridans Büro zitiert, während die Spannung dahinschmilzt wie das Schokoladen-Modell der Station
So entfährt uns auch nur ein müde gelächeltes “Tja”, als die Gute sich dann am Ende doch bereit erklärt und – welch eine Überraschung – doch nicht die gesuchte Schläferin ist.
Apropos Schläferin. Susan schläft am liebsten im blauen Sateng-Schlafanzug. Und nicht allein.

“Du fragst Dich, woher meine Haaare diese Spannkraft und diesen unwiderstehlichen Glanz haben? Ich wasche sie täglich mit L’orien Vodka”
Und Du fragst Dich vielleicht, wer diese blonde Person mit den ebenfalls feuchten Haaren ist. Die Antwort gibts gleich. Vorher müssen noch andere Fragen geklärt werden:
Sascha:
“Ivanova im Sateng-Bademantel durchwühlt ihre Schubladen. Watt sucht die denn da eigentlich?”
Tim:
“Satengblaue Hausschuhe wahrscheinlich?”
Sascha:
“Und was sind das für merkwürdige schwarze Puschel an ihrer Arbeitsplatte?”
Tim:
“Die sollten die lesbische Atmosphäre noch ein bißchen Pushe(l)n”
Lesbische Atmosphäre? Hä? Ja. Denn obwohl Susan eine gesunde Abneigung gegen Telepathen im Allgemeinen hegt, spürt sie doch starke Zuneigung zu einer Telepathin im Speziellen:
Talia hatte eine feuchte Wohnung (wer hat da “Keller!” gerufen?) und darf deshalb bei Susan pennen. Und vermutlich auch mit ihr. Und der junge Sascha der 90ger so:
Tim und Sascha gehen jedenfalls beide davon aus, dass die beiden in Susans Bett mindestens eine erotische Kissenschlacht gemacht haben. Davon kann Lyta nur träumen…
Tim:
“Während ihre Telepathenkollegin heißen Sex hatte, muss die arme Lyta in einer neonbeleuchteten Arrestzelle an einem Tisch dösen”
Richtig. Da war ja noch die Handlung um Lyta. Die kommt zu einem traurigen Höhepunkt (höhö) als
- Talia ungefragt und grundlos in eine geschlossene Sitzung des Führungsstabes platzt
- Lyta ungefragt und grundlos das telepathische Passwort an Talia schickt
Diese flippt darauf hin total aus und stellt sich als die lang gesuchte Schläferin heraus. Die Ihrer Liebhaberin nun noch ein paar Schimpfworte an den Kopf hauen darf.
Damit endet die sehr kurze Romanze von Susan und Talia, die so viele Fanficktion-Schreiberinnen zu (geistigen) Ergüssen verleitet hat. Und – um auch was Positives zu nennen – dieses Bild hervorbrachte:
War sonst noch was? Achja: Kosh zieht vor Lyta blank. Und das hier:
Alles in Allem auf jeden Fall eine Folge, die sich ins kollektive Gedächtnis (vor allem der männlichen Zuschauer) gebrannt hat. Auch wenn, oder vielleicht grade weil, die Beziehung zwischen Susan und Talia nicht so gezeigt wurde, wie es heute der Fall sein würde. Hey, wir sind hier immerhin in den 90gern und nicht auf HBO!
Die Idee, dass das PsiCorps einen Schläfer in sämtliche Führungspositionen der Erdallianz eingeschleust hat, ist überzeugend und zeugt von einem durchdachten Storytelling, das abseits des Epsilon-Sektors wiederum in den 90gern nur mit der Lupe zu finden war. Schön ist auch, wie Handlungen aus der Vergangenheit (Und Zukunft!) sehr beiläufig in die aktuelle eingewoben wurden. Und die Regie ist alle erste Sahne. Jesus sei Dank!

Jesus erlöse uns! Im Gegensatz zu Richard Compton hat dieser Regisseur offenbar eine Erleuchtung gehabt und wird uns in der vierten Staffel noch einige Glanzpunkte der Serie bescheren
Einziges Schmanko: Der drehbuchschreiberische Ejakulatio postcox, mit dem die vermeindliche Enttarnung Susans so sehr in die Länge gezogen wird, wie die Silben in einem Satz von Dr Cox. Auf jeden Fall eine überdurschnittliche Wertung und wir vergeben mal mehr und mal weniger hormongesteuert:

4 von 6 Penissen
Und noch ein paar links für Verliebte:
- Die Folge im Lurkers Guide
- Die Folge im deutschen Lurkers Guide
- Der Lumberjack-Song von Monty Python
- Was ist ein roter Hering?
Folgende Podcaster waren an dieser Episode beteiligt:
Wenn Ihr mögt, schmeißt uns doch was in den Hut:
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Okt 24 2017
In der Dusche sieht Draal Deinen Aal
Also, es gibt so Folgen, die kann man nehmen, wie sie sind und einrahmen. Sucht man sowas bei manchen Serien vergeblich, trifft der Drehbuchgoldsucher bei Babylon 5 fast bei jedem Schlag mit der Dramatik-Hacke auf eine reich sprudelnde Quelle. Hing das Bild jetzt eigentlich schief? Egal. Würde man ein Best-Off von “Die Armee des Lichts” zusammenschneiden müssen, landeten nicht viele Schnipsel auf dem digitalen Boden. Und der Shownotes-Autor ist normalerweise mit der Schere schnell bei der Hand. Aber beginnen wir am Anfang: Sheridan bekommt Besuch in seiner Dusche. Ein Hologramm kuschelt sich an seinen schnell übergeworfenen Bademantel:
“Respekt Captain! Ich sehe, auch Sie sind der Herr einer großen Maschine!” Die Vorstellung, dass Draal seit einem Jahr bei Delenn und dem Kommandanten spannt, ist irgendwie verstörend
Der gute alte Draal hat jetzt lange genug an seiner großen Maschine rumgespielt. während er Delenn und Sheridan bei diversen (noch) getrennten Intimitäten beobachtete und sich für ein coming out entschieden. Er lädt die beiden zu sich auf den Planeten ein und eröffnet ihnen, dass es bald gewaltig bumsen wird im Universum, er aber hinter ihnen steht.
“Manchmal habe ich das Gefühl, ich stehe irgendwie neben mir.” Der gute Draal hats ordentlich mit dem Kreuz.
So, genug der kindischen Gags! Denn nach einem leichtherzigen Start, zeigt die Episode nun, wo der Centauri seinen Most holt. Im etwas zu kleinen Tronsaal nämlich
Aber das sind nur Äußerlichkeiten, denn die beiden hier anwesenden Herren füllen die eher spärliche Sznerie ausnehmend gut aus. Mollari und Refa schmieden einige Ränkelspiele. Refa hat einen Plan: Er hat nämlich ausbaldowert, dass die Narn einen Großangriff starten und ihre Heimatwelt (über deren Namen zwei andere Herren im Cast ein wenig ins philosophieren kommen) ziemlich ungeschützt zurück lassen.
“Was soll das heißen, wir drehen hier nicht den Wüstenplaneten? Können wir dann wenigsten IRGENDEINEN Planeten in eine Wüste verwandeln?” Wir vermuten, dass Requisiteur David anschließend wegen Copyrightverletzung gelyncht wurde….
Londo soll seine schattenhafte Kontakte spielen lassen, die sich derweil um das letzte Aufgebot der Narn kümmern soll.
Der Plan geht auf, die Schatten machen kurzen Prozeß mit dem Volkssturm der Fleckengesichter, während die Centauri die Narn zurück in die Steinzeit bomben. Und das wortwörtlich. Denn was kümmert den Centauri die universumsweite Ächtung von Massebeschleunigern (die ein paar Folgen vorher schonmal kurz erwähnt wurden, als die Narn selbige auf Centauri-Schiffen vermuteten, SO geht subtiler Story-Arc, liebe Drehbuchautoren der Jetztzeit!) wenn sie doch so prima dabei helfen, den Planeten in Nullkommanix zu erobern? Was wiederum zu einer der ikonischsten Szenen der Serie führ: Mollari, der angewidert die Folgen seines Handelns mit ansehen muss
Aber die Gewissensbisse dauern nicht lange, denn zurück auf der Station läßt der gute den Macht
menschencentauri raushängen und NichtmehrBotschafter G’Kar aus dem Ratssaal werfen. Was dieser mit einer nicht minder ikonischen Rede über Freiheit quittiert.Wie gesagt: Man könnte JEDE Szene dieser Folge nehmen und einrahmen. Weil sie so toll sind. Und übrigens auch toll geschnitten. Wie der betende G’Kar immer wieder in die vernichtende Schlacht zwischen Schatten und Narn geschnitten wird und am Ende die Kerze auslöscht. DAS ist groß-ar-tig inszentiert und geschnitten und seiner Zeit um Jahre voraus. Diese Folge gibt so dermaßen Gas, dass sich andere Serienmacher mehr als eine Scheibe abschneiden könnte und noch genug Material da wäre, um jede Voyager-Folge in den Schatten (höhö) zu stellen. Springen wir doch mal zum Vergleich in den Delta-Quadranten: Knapp zwei Wochen nach dieser Folge lief bei Voyager “Rätselhafte Visionen” – irgendwelches Holodeck-Gedöns und Verhandlungen mit einer Rasse, die man nie vorher gesehen hat und von der man hinterher nie mehr was hören wird. Da möchte man am liebsten mit der Faust auf die FastForward-Taste einschlagen. Vor allen Dingen zeigt Babylon 5 anderen Serien der 90ger wieder mal: Handlungen haben Konsequenzen!
Wenn es eine Folge gibt, die man Leuten zeigen sollte, um zu verdeutlichen, wie großartig geschrieben und umgesetzt Babylon 5 ist, dann diese. Nur, weil wir wissen, was noch kommt, verkneifen wir uns die Höchstwertung und vergeben eisenharte
5 von 6 Centauripenissen
Und das solltest Du Dir noch ansehn:
Folgende Podcaster waren an dieser Episode beteiligt:
Wenn Ihr mögt, schmeißt uns doch was in den Hut:
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By Sascha • Episoden, podcast • 2 • Tags: Borg, DS9, Gandalf, Klingonen, Q, Red Wedding, Star Trek, Star Wars, Stargate Atlantis, Tron