Der Randall-Report: Was Erdler nicht mal ahnen

Ungeschminkt und unzensiert geht es heute zur Sache, denn wir decken auf, was Erdlern den Schlaf raubt. Getreu der Journalisten-Regel Numero Uno: Vergiss beim Dreh die Liebe nicht! Denn die Presse(tm) hat sich angekündigt. Oder eben nicht. Stattdessen steht schlagartig der schmierige Sensationsreporter stets selbstüberschätzend im Sicherheitsbereich und salbeiert herum. Weil er sein Gepäck nicht öffnen möchte. Was uns wieder einmal über die laxen Stationssicherheitsvorschriften wundern lässt. Denn Privatsphäre gibt man ja heutzutage gleich am Kofferband des Flughafens mit ab.
Gehen wir also wieder in die 90er, als Terrorwahn, Überwachungsstaat und Neofaschismus tatsächlich noch Zukunftsmusik waren. Wir sehen also das, was momentan in so jedem Staat auf der Welt passiert: Politische Wirrköpfe übernehmen die Kontrolle über die Medien und wer nicht spurt, findet sich zwar vor der Kamera wieder, aber als unfreiwilliger Protagonist einer Propaganda-Schau

Trotz alledem kauft Sheridan dem angereisten Journalisten seine Räuberpistole, man könne doch die Wahrheit(tm) in kleinen Häppchen zwischen die beauftragte Lügengeschichte einbauen und trifft medientechnisch so jede Fehlentscheidung, die man nur treffen kann. Die Idee, das Kameradrohnenteam nicht unbeaufsichtigt auf der Station herumschleichen zu lassen, ist prinzipiell schonmal ganz gut. Aber dem mit allen Wassern gewaschenen Randall ausgerechnet den naiven Klosterjungen Lennier zur Seite zu stellen, der
a) nicht lügen kann
b) einer Rasse angehört, gegen die auf der Erde gerade massiv Stimmung gemacht wird
ist sagen wir mal ungewöhnlich. Wir bemängeln an dieser Stelle erneut das Fehlen eines Pressoffiziers (m/w/n) an Bord und hätten an Sheridans Stelle die gute Lyta mitgeschickt. Statt dessen sehen wir, wie Lennier das vorurteilsbeladene Team nahezu als erstes nach Down Below führt, das laute Geräusch waren zwei Köpfe im Rheinland und der Lausitz, die vor Verzweiflung auf die Tischplatten knallten.

Und die Reihe an Fehlentscheidungen setzt sich fort, denn dass das Interview mit Freund Schmierlapp in die Hose gehen und jedes Wort im Mund umgedreht werden wird, das war doch mit Ansage. Bekommen Führungskräfte der Erdstreitkräfte nicht wenigstens eine Grundschulung in Sachen Umgang mit Medien?

Der Einzige, der halbwegs Ansätze von (Medien)Kompetenz zeigt ist ausgerechnet Garibaldi, der sichtbar damit hadert, dem Schmierlapp ein Interview zu geben, weil er sich als einziger der Konsequenz bewusst ist. Apropos Garibaldi. Der hat inzwischen im Café seines geringsten Misstrauens ein Büro eingerichtet und empfängt dort einen Klienten, bei dem wir nicht so recht wissen, was wir von ihm halten sollen.

Was Randale-Randall aus dem gesammelten Material zusammenschnippelt hat am Ende mit der Wahrheit(tm) so wenig zu tun wie gutes Schreiben mit “Discovery”. Dafür ist es ein Lehrstück, welche wirksame Mittel skrupellosen Medienschaffenden zur Verfügung stehen und wie man jedes Interview so schneiden kann, dass am Ende das Gegenteil des Gesagten bei herauskommt. Selbst, wenn sich alle Beteiligten deutlich cleverer angestellt hätten als unsere doch sehr naive Gurkentruppe der Stationsleitung. Und zum Abschluss gibt es noch den endgültigen Schlag in die Magengrube: Wir erfahren, dass die Farm von Sheridans Vater abgebrannt ist und selbiger als vermisst gilt.

Die Folge fällt irgendwie aus dem Rahmen, aber auch nur halb. Während die “36 Stunden auf Babylon 5” komplett als Dokumentation über die Station gedreht ist, ist “Lügenpropaganda” wortwörtlich zweigeteilt. Wir sehen unseren Enthüllungstschurnalisten bei der Arbeit und das Ergebnis selbiger im zweiten Teil der Folge. Und es ist schon ein kleines Vergnügen, dem Typen bei der Arbeit zuzugucken und dann zu vergleichen, was er aufgenommen und was gesendet hat. Grade für Mary und Sascha, die ja beide “Was mit Medien” machen. Als Parabel, wie Medien missbraucht werden können, funktioniert die Folge daher großartig, passt aber irgendwie nur so halb ins Gesamtgefüge der Serie. Man sollte diese Folge eigentlich viel öfter zeigen, gerne auch an Schulen. Und wieder mal tut “Babylon 5” weh beim Gucken. Aber nicht, weil es schlecht gemacht ist, sondern weil die Dystonie aus den 90ern wieder mal schneller Wirklichkeit geworden ist, als uns lieb ist.

Und so vergeben wir am Ende

4,5 von 6 Penissen

Achtung: Ein Nachwuchs-Podcaster hat sich in die Aufnahme geschlichen, meldet sich durch Glucksen, quengeln und gelegentliches Pupsen im Laufe der Aufnahme mehrfach zu Wort, was den Süßheitsfaktor natürlich ins Unermessliche steigert.

…und seine Waffe war noch kalt

Leute, heute wirds besinnlich! Denn pünktlich zum Weihnachtsfest präsentiert uns JMS den wohl unromantischsten Heiratsantrag des Universums.

Davon abgesehen ist die heutige Folge ein Achterwerk der Gefühle und eine Feuerbahnfahrt an tollen Szenen und Dialogen. Also nicht nur die Podcastfolge, sondern auch die Episode, über die wir sprechen. Um da vorweg zu greifen, das Ende der Staffel ist für uns das bisherige Highlight und – auch wenn böse Zungen das behaupten mögen – nicht nur, weil es die (fast) letzte Folge mit olle Holzklotz Sinclair ist. Im Gegenteil. Der ist uns inzwischen irgendwie richtig ans Herz gewachsen. Und offenbar auch seiner Jojo-Freundin, die ihm den Heiratsantrag zwischen Chipstüte und Fernbedienung nicht übel nimmt
Doch das junge Glück währt nur kurz, denn beim romantischen Verlobungsessen mit Freunden bekommt Garbibaldi einen Anruf. Kurz zuvor ist einer von Michaels Informanten dramaturgisch geschickt in die Szenerie gewankt und Klischeehaft in den Armen des Sicherheitschefs versorben. Nich ohne vorher noch von einem mysterösen Plan zu faseln, dass jemand umgebracht werden soll.
Am Ende führen ihn die Spuren zu drei fiesen Möppen (oder Möpsen?) und ins Verderben, denn es stellt sich heraus, dass Garibaldis Stellvertreter tief drin steckt in der Verschwörung um – Achtung spoiler! – den Präsidenten zu töten. Und so explodiert zuerst der Schuß des Verräters in Garibaldis Rücken und kurz darauf des Präsidenten Maschine in der Umlaufbahn von IO.
Sinclair hatte sich zum Jahreswechsel zwar ein bißchen Feuerwerk gewünscht, aber DAS war dann doch ein bißchen übertrieben. Kein Wunder, dass der Commander – obwohl er in der Bar sitzt – nicht unbedingt in Feierlaune ist. Da helfen ihm auch die aufmunternden Worte unseres Party-Volonen nicht weiter, der Sinclair daran erinnert, dass er irgendwas vergessen hat
Richtig! Delenn wollte Sinclair ja eigentlich in die dunklen Geheimnisse ihrer Vergangenheit einweihen, aber wer Damen warten läßt muss die Konsequenzen tragen
Londo hat Ärger ohne Ende: Die Narn nehmen ihm einen wichtigen Quadranten weg und seine Regierung seinen letzten Rest von Würde. Da kommt der Anruf des geheimnisvollen Mr Morden genau zur rechten Zeit. Der schlägt nämlich vor, sich beider Probleme anzunehmen. Dazu bedarf es lediglich eines kleinen Versteckspiels im stationseigenen Heckenlabyrinth. Londo weiß zwar, dass große Gefallen zu hohen Kosten kommen aber läßt sich am Ende auf den Deal ein, wohlwissend, dass er ohnehin in keinen Spiegel mehr gucken kann. Dass durch seine Entscheidung allerdings 10.000 Narn ausgelöscht wurden, damit hätte er nicht gerechnet (sagt er jedenfalls)

Am Ende also: Prösiedent tot, Garibaldi fast tot, Londo auf der dunklen Seite der Macht, G’Kar weg und Delenn im Kokon und Sinclair etwas ratlos…

Wir sagen: Hut ab! Babylon 5 zeigt spätestens mit dieser Episode wo der Neelix den Most holen könnte, wenn er denn ein paar mehr Eier in der Hose hätte. Und davon hat JMS offenbar mehr als genug: In einer Folge einfach eben mal das über eine Staffel sorgsam (und detailreich) aufgebaute Universum komplett über den Haufen zu werfen – und zwar so, dass es dem Zuschauer NICHT egal ist – das ist sowas von modernem TV der 2010er Jahre, dass man der Folge nicht anmerkt, dass sie fast 25 Jahre auf dem Buckel hat.

Die Latte (höhö) hängt jedenfalls hoch für die kommende Staffel und wir holen nur, weil wir wissen, was noch kommt, nicht komplatt alles raus, was die Centauri-Anatomie zu bieten hat und vergeben:

5 von 6 Centauripenissen